The King of Weed
Was ist bzw. bedeutet Weed? Als Weed werden umgangssprachlich die zu Rauschzwecken geernteten Blüten der Hanfpflanze bezeichnet.
Wer ist der King of Weed in the World?
Wer es schafft, eine Kaffeemaschine zu bedienen,
verfügt über alle Fähigkeiten, um zu
Hause Cannabis anzubauen. Das Gerät, das
man dafür benötigt, nennt sich Growbox –
es ist ein Kasten, ungefähr so groß wie ein
Kühlschrank, den man sich ins Wohnzimmer
stellen kann. Im Innern sollen dann Hanfpflanzen
wachsen.
Die Growbox ist eine Miniplantage für
Kifferinnen und Kiffer, ein vollautomatischer
Apparat für den Drogenanbau auf Knopfdruck.
Es ist in Deutschland noch verboten,
daheim Cannabis herzustellen. Die Boxen
dafür gibt es aber schon. Man kann sie auf
der Mary Jane ansehen, einer Hanfmesse, die
jedes Jahr in Berlin stattfindet.
An einem Samstag Ende Juni steht Waldemar
Kods an seinem Messestand und öffnet
die Tür seiner Growbox. Kods, 34, ist Unternehmer
aus Leimbach in Rheinland-Pfalz und
Chef eines Start-ups für Raucherzubehör. Als
vor anderthalb Jahren klar wurde, dass die
Bundesregierung bald Gras legalisieren möchte,
hat er begonnen, die Boxen zu entwickeln,
zusammen mit Ingenieuren, Elektronikern,
Biologen.
»Der Anbau in den Boxen ist unauffällig,
geräuschlos und geruchlos«, sagt Kods. Er hat
die Kisten bewusst so designt, dass sie von
außen wirken wie eine Ikea-Kommode. Manchen
Besitzern dürfte es ganz recht sein, wenn
nicht jeder sofort merkt, dass sie zu Hause
Cannabis anbauen.
In die Kisten eingebaut sind eine Belüftung,
eine Pflanzenbeleuchtung und Sensoren. Man
muss Samen und Wasser in Behälter füllen
und Nährstoffampullen einsetzen, den Rest
soll die Natur erledigen. Eine KI entscheidet,
wie viel Luft, Licht und Wasser die Cannabispflanzen
benötigen.
Nach drei Monaten könnten die Züchter
bis zu 150 Gramm Gras ernten, sagt Kods –
Straßenpreis derzeit ungefähr 1500 Euro. Die
Kisten gibt es ab 1200 Euro. Der Start-up-
Chef hofft auf einen Massenmarkt. Und er ist
nicht der Einzige.
Cannabis soll in Deutschland legal werden.
Der Staat und seine Behörden möchten den
Anbau und Besitz erlauben, ganz offiziell, per
Gesetz. Bislang vernebelten die Wolken aus
Marihuana vor allem Hinterhöfe, Parks und
Schultoiletten – nun schickt sich die Bundesregierung
an, den Joint gesellschaftsfähig
zu machen. Anfang 2024 könnte es so weit
sein.
Cannabis ist der Oberbegriff für die
Rauschmittel, die aus Hanf gewonnen werden.
Sie sind die am meisten konsumierten Drogen
weltweit, neben Tabak und Alkohol.
Marihuana bezeichnet die getrockneten
und zerriebenen Blütenspitzen und Blätter
der weiblichen Cannabispflanze, Haschisch
deren Harz. Meistens werden die Produkte
geraucht, in Zigaretten oder Wasserpfeifen.
Der bekannteste Wirkstoff in Cannabis ist
Tetrahydrocannabinol, kurz THC. Er macht
manche locker und lustig, andere hungrig. Es
gibt auch Menschen, die vom Kiffen Angstzustände
bekommen und in Panik geraten.
Produkte aus Cannabis haben viele Namen:
Gras, Shit, Weed, Pot oder Bubatz. Joints
werden in der Szene auch Tüten, Dübel oder
Johnnys genannt.
Seit 1930 ist Cannabis in Deutschland eine
illegale Droge. Kiffen selbst war zwar nie
strafbar – und ist es bis heute nicht. Doch wer
sich Gras besorgt oder es besitzt, verstößt
gegen das Gesetz; es sei denn, man braucht
es aus medizinischen Gründen und hat ein
Rezept vom Arzt.
Nun soll auch das Freizeitkiffen ohne Rezept
erlaubt werden. Die Bundesregierung
möchte »die kontrollierte Abgabe von Cannabis
an Erwachsene zu Genusszwecken«
einführen. So haben es SPD, Grüne und FDP
in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. In der
kommenden Woche möchte sich die Bundesregierung
eingehend mit der Freigabe beschäftigen,
am Mittwoch steht das Thema auf
der Tagesordnung der Kabinettssitzung. Nach
der Sommerpause könnte das Gesetz im Bundestag
beraten werden.
Der Plan der Ampelparteien dürfte die
folgenreichste Reform in der deutschen Drogenpolitik
sein, eine Zeitenwende in der Innenpolitik.
Seit Monaten geht es darum, in
Podiumsdiskussionen und in TV-Talkshows,
die Pläne prägen Bundestagsdebatten und
Wahlkämpfe, besonders den in Bayern, wo
im Oktober ein neuer Landtag gewählt wird.
Für die einen ist die Freigabe von Cannabis
längst überfällig. Es sei falsch, sagen sie, Kiffer
zu stigmatisieren, sie mit der Polizei und
den Staatsanwaltschaften zu verfolgen und
ihnen den Führerschein wegzunehmen, weil
sie mit etwas Gras in der Tasche erwischt
worden
seien. Schließlich sei Cannabis nicht
gefährlicher als Bier.
Für andere ist die Freigabe ein Spiel mit
dem Feuer. Sie sehen in Cannabis ein Rauschgift,
das unberechenbare Folgen für Körper
und Psyche haben kann, eine Einstiegsdroge,
an die Jugendliche durch die Legalisierung
noch einfacher herankämen als bisher.
Selten hat ein Gesetzesvorhaben derart
polarisiert. Die C-Frage spaltet. Der Graben
verläuft zwischen angeblichen Freiheitsverfechtern,
die in der Legalisierung von Cannabis
ein Symbol der gesellschaftlichen Liberalisierung
sehen, eine Chance für Deutschland,
sich zu entkrampfen. So gesehen passen die
Pläne ins Portfolio der Ampel, der selbst ernannten
Fortschrittskoalition.
Dem gegenüber stehen die Warner, jene,
die vor schwerwiegenden Schäden vor allem
für jugendliche Konsumenten warnen, jene,
die Drogenkriminalität durch Law-and-Order-
Politik zurückdrängen möchten und für
den Staat nur ein effektives Instrument sehen,
um seine Bürgerinnen und Bürger vor Marihuana
zu schützen: Verbote.
Die Debatte über die Joints ist auch ein
Clash der politischen Kulturen, progressiv
gegen konservativ. Im Zentrum des Streits
steht die Frage, wie schädlich Gras ist. Wobei
die Antwort darauf nicht so einfach ist, wie
beide Seiten behaupten.
In der Bevölkerung ist die Meinung zu
Cannabis geteilt, wie eine Civey-Umfrage für
den SPIEGEL zeigt: 40 Prozent der Bundesbürger
bewerten die geplante Legalisierung
positiv, 45 Prozent negativ. Wobei die Befürworter
eher Wählerinnen und Wähler der
Grünen und der Linken sind, die Gegner eher
Anhänger von CDU und AfD.
Sechs Bundesministerien sind mit den Plänen
zur Freigabe beschäftigt: Gesundheit,
Inneres, Justiz, Landwirtschaft, Wirtschaft
und das Auswärtige Amt. Man hat sich auf
eine Legalisierung in mehreren Schritten geeinigt,
es soll zwei Gesetze geben.
»Wir wollen kein Problem schaffen, sondern
helfen, eines zu lösen«, sagte Bundesgesundheitsminister
Karl Lauterbach, SPD,
als er sein Konzept im April vorstellte. Lauterbach
ist das Gesicht der Legalisierung. Der
Mann, der länger als die meisten anderen
FFP2-Masken trug, kein Salz isst und Tisch-
W
Er soll den Deutschen
erlauben, entspannt
einen durchzuziehen.
Minister
Lauterbach mit
Cannabislolli
Nikita Teryoshin
TITEL
12 DER SPIEGEL Nr. 33 / 12.8.2023
tennis spielt, soll den Deutschen erlauben,
entspannt einen durchzuziehen.
Seit Monaten bereiten Beamtinnen und
Beamte aus seinem Ministerium die Legalisierung
vor. Anfang Juli wurde der Entwurf
für das Cannabisgesetz veröffentlicht, das
»CanG«, wie es abgekürzt heißt. Das Dokument
hat 163 Seiten. Ganz vorn heißt es:
»Konsumentinnen und Konsumenten wird
durch den Gesetzentwurf ein verantwortungsvoller
Umgang mit Cannabis erleichtert.«
Die Pläne sehen bislang so aus: In Deutschland
sollen sich Vereine gründen, auch bekannt
als Cannabis Social Clubs. Sie bekommen
von den Behörden Lizenzen, um Hanfpflanzen
anzubauen und Blüten oder Harz
an ihre Mitglieder abzugeben. Daneben wird
es allen ab 18 Jahren erlaubt sein, zu Hause
Cannabispflanzen zu züchten. Kifferinnen
und Kiffer dürfen künftig 25 Gramm Cannabis
bei sich tragen, ohne bestraft zu werden.
Der zweite Schritt sieht vor, dass Fachgeschäfte
Cannabis und THC-haltige Produkte
verkaufen; allerdings nur in ausgewählten
Kreisen und Städten, den sogenannten Modellregionen.
Der Verkauf in den Läden soll
erst mal auf fünf Jahre befristet sein.
Es ist noch nicht klar, ob die Pläne Realität
werden. Der Bundesrat wird bei den Gesetzen
womöglich mitreden, die EU-Kommission
auch. Teile des Projekts könnten am Europarecht
scheitern, vielleicht sogar das gesamte
Vorhaben. Bislang ist die Legalisierung ein
Experiment mit ungewissem Ausgang.
Sicher ist, dass nie zuvor in Deutschland
so viel gekifft wurde wie heute. Das bisherige
Verbot hat den Siegeszug der Rauschmittel
nicht aufhalten können. In einer Befragung
des Instituts für Therapieforschung aus München
gaben 1995 noch rund 12 Prozent an,
schon einmal Cannabis konsumiert zu haben.
2021 waren es 40 Prozent. Viereinhalb Millionen
Menschen kiffen mindestens einmal
im Jahr.
Alkohol wird über alle Altersgruppen hinweg
ähnlich oft getrunken, Cannabis dagegen
ist eine Droge der Jugend. Unter den 21- bis
24-Jährigen kiffte 2021 jeder Vierte. Dealer
verkaufen jährlich mehrere Hundert Tonnen
Gras oder Haschisch, der Jahresumsatz auf
der Straße dürfte bei bis zu vier Milliarden
Euro liegen, Tendenz steigend. Die Droge ist
Realität, auf Schulhöfen, Dachterrassen und
Festivals.
Bislang probierte die Politik, vor allem
Jugendliche
mit Strafen von den Joints fernzuhalten.
Der Schwarzmarkt wurde mit Razzien
bekämpft, Drogenfahnder verfolgten die
Dealer, lösten Plantagen auf. Kiffer wurden
Richtern und Suchtberatern vorgeführt. Doch
die meisten Versuche, den Problemen beizukommen,
scheiterten.
Es ist sinnvoll, dass der Staat seinen Umgang
mit Cannabis überdenkt. Manches
spricht dafür, die geltenden Gesetze zu verändern.
Die Frage ist jedoch, ob die Bundesregierung
dafür den richtigen Weg wählt.
Oder ob die Pläne der Ampel noch mehr Menschen
in die Abhängigkeit treiben – und die
Behörden in den Wahnsinn.
Die Hoffnungen
Ein Gang über die Hanfmesse Mary Jane ist
wie eine Zeitreise. Wie ein Blick in eine Zukunft,
in der Gras bereits legal ist.
In der Arena in Berlin Alt-Treptow stellen
gut 300 Firmen ihre Cannabisprodukte aus.
Werbetafeln versprechen »Samen mit hoher
Keimquote« und »Bio-Stimulatoren für
wahnsinnige Pflanzen-Leistung«.
An anderen Ständen sieht man Verdampfer
zum Inhalieren und Cannabis-Cookies. Tausende
Besucherinnen und Besucher drängen
sich durch die Gänge, manche zünden sich
dabei Tüten an. Auf einer Bühne treten zwei
Rapper auf. »Legalize Weed«, rufen sie.
Auf einer Empore unter dem Hallendach
nimmt Nhung Nguyen an einem Schreibtisch
Platz. Nguyen ist eine der Organisatorinnen
der Mary Jane, was ein Szenename für Marihuana
ist. Die Messe gibt es seit 2016. Damals,
erzählt Nguyen, sei die Mary Jane noch
ein Event für Liebhaber und Nerds gewesen.
Heute sei die Messe ein Sprungbrett für Firmen
aus der ganzen Welt.
»Alle wollen jetzt hierher«, sagt die Managerin.
Sie erzählt von den chinesischen
Unternehmen mit ihren LED-Lampen für den
Cannabisanbau, von den US-Amerikanern
mit ihren Samen. Jeder Quadratmeter der
Arena sei ausgebucht, was an der geplanten
Legalisierung liege. Noch seien die Märkte in
Spanien und den Niederlanden wichtiger,
aber Deutschland könne schon in wenigen
Monaten zum größten in Europa aufsteigen.
»Cannabis kann das neue Bier werden«,
glaubt Nguyen. In zehn Jahren, schätzt sie,
werde es so weit sein.
Vor der Halle sitzen Menschen am Ufer
der Spree und drehen sich Joints. Zwei Studentinnen
sind aus Mecklenburg-Vorpommern
angereist. »Berlin ist ein Safe Space«,
sagt eine von ihnen. Hier werde nicht so skeptisch
auf Cannabis geschaut wie bei ihnen zu
Hause. Eine erzählt, sie habe wegen Rückenschmerzen
mit dem Kiffen angefangen, nun
rauche sie jeden Tag, um runterzukommen.